Tag 3 – Über das Schiffshebewerk nach Oderberg

Die Marillen- und Apfelallee zwischen der Marina und dem Städtchen

Morgens am 3. Tag geht es los an der Havelbaude weiter Richtung Norden. Das Ablegemanöver ist tatsächlich relativ spannend, wir liegen seitlich an Backbord (=links) am Kai, denn Backbord ist unsere „Schokoladenseite“. Das hat damit zu tun, dass unser Propeller rechtsdrehend ist, daher zieht uns dieser beim Rückwärtsfahren nach Backbord, es handelt sich um den Radeffekt (auch nochmal hier erläutert: https://www.segeln-lernen.de/segellexikon-radeffekt.html). Aus diesem Grund legen wir grundsätzlich, wenn wir es uns aussuchen können, immer an Backbord an, in Häfen, Schleusen, Tankstellen etc. In Häfen gibt es sonst noch Boxen zum Anlegen mit Dalben (https://www.segeln-lernen.de/segellexikon-dalben.html) nach hinten oder auch Schwimmstegen seitlich. Vor uns liegt an diesem Morgen ein gechartertes Hausboot (https://www.segeln-lernen.de/segellexikon-chartern.html) hinter uns ein großes Motorboot, mit jeweils ca. 3 m Abstand. Um nach Steuerbord wegzukommen, ist also nicht genug Platz, um einfach vorwärts oder rückwärts wegzufahren – daher entscheidet sich Paul dafür, an Backbord hinten eine (Spring-) Leine zum Land zu ziehen, einen Kugelfender (https://www.segeln-lernen.de/segellexikon-fender.html) zwischen Kai und Boot anzubringen und dann „in die Spring einzudampfen“, d.h. er steuert nach Steuerbord und dadurch, dass das Schiff achtern (=hinten) links fixiert ist durch die Springleine, zieht es den Bug (=vorn; Heck=hinten) langsam nach vorn Steuerbord raus.
Ein schönes Manöver, das in diesem Fall Fingerspitzengefühl und weder zu viel noch zu wenig Gasgeben vorausgesetzt hat. Insbesondere ist es nicht immer ganz ohne, die Nerven zu behalten, da man häufig „Publikum“ hat. Da ist es sehr wertvoll, wenn man schon aufeinander eingespielt ist, durch Hunderte Male an- und ablegen und viel Kommunikation (die Lautstärke des Motors muss dabei übertroffen werden…).

Der Weg zu unserer ersten Schleuse ist schon recht nett, rechts und links neben dem eher schmalen Kanal befinden sich Wassergrundstücke, häufig von Schrebergärten oder von Neubauten. Man kann sicher hässlicher wohnen.

Da es noch Mai ist, hat der große Ansturm auch auf die Schleusen noch nicht begonnen. Die drei Monate Juni, Juli und August ist häufig sehr viel los. In der Schleuse Lehnitz sind wir zunächst alleine, nach unserer Einfahrt gesellen sich noch zwei weitere Sportboote hinzu. Sie hatten wohl noch beim Schleusenwärter angerufen und ihre Ankunft angekündigt – zu diesem Vorgehen sind wir mittlerweile auch übergegangen, denn so kann der Wärter uns entweder einplanen und mit der Schleusung warten, oder auch die Rückmeldung geben, dass die Kammer bereits voll sei und wir mit Wartezeit rechnen müssten. Diese kann übrigens nach unserer Erfahrung auch schonmal mehrere Stunden betragen, in deine man dann an dem Wartepunkt vor der Schleuse festmacht und auf das Ampelsignal wartet. Die Information hierüber kann also sehr entscheidend sein, ob man mit dem Kochen des Mittagessens noch wartet bis nach der Schleusung oder die Wartezeit dafür nutzt. Die längste Wartezeit, die Paul und ich einmal erlebt haben, war in Niederfinow mit 5 h. Die Schleuse Lehnitz ist aus unserer Erfahrung jedoch auch schnell mal eine längere Angelegenheit. Die örtliche Wasserschutzpolizei nutzt diese Gelegenheit im südlichen Schleusenbecken nur allzu gern, um sich die vollständigen Bootspapiere oder andere schöne Dinge zeigen zu lassen. Hier gibt es nämlich die eher seltene Gelegenheit, beim Warten an Land zu kommen. Dies erinnert mich jedes Mal an die Szene, die Mario Barth bei einer Polizeikontrolle auf dem Weg in den Urlaub schildert, als ihn der Polizist nach seinem Warndreieck ganz unten in seinem rappelvoll gepackten Kofferraum fragt. Der Aufwand wäre immens gewesen, die Strafe für ein fehlendes Warndreieck im Vergleich zu verschmerzen, sodass er sich direkt für die Strafe entscheidet, ohne es überhaupt versucht zu haben. 😉

Zwischendurch wird Paul draußen von ein oder zwei fetten Regengüssen erwischt, hier zeigt es sich mal wieder, wie wichtig gute Kleidung ist. Unter Deck bekommen wir wenig davon mit, was ein Glück! Das Schiffshebewerk passieren wir am frühen Nachmittag, hier liegen wir mit einem anderen Segler zusammen in der großen Badewanne. Diese „Schleusung“ ist tatsächlich die entspannteste auf der ganzen Fahrt, wir machen fest und können von Bord gehen, da sich das gesamte Becken ja bewegt. Ein riesiger Schelusenfahrstuhl sozusagen. Manchmal fahren auch Fahrgastschiffe mit rein, deren Passagiere einmal hoch und dann wieder runter schleusen, nur um mal mitgefahren zu sein. Einmal war auch ein Fernsehteam dabei. Schon witzig. Jedes Mal, wenn wir in den letzten Jahren eingefahren sind, fragen wir die netten Leute von dem WSA, die sich dort aufhalten, wann das neue Hebewerk denn in Betrieb gehen würde. Diesmal bekommen wir die Antwort, dass es für Anfang Oktober 22 geplant sei – schauen wir mal! Per se funktioniert das alte ja prima, das neue hat leider die Testphase noch nicht ohne Fehler abschließen können. Das alte ist leider nicht mehr ausreichend für die heutige Kapazität, sonst hätte man es am besten einfach mit guter Wartung Weiternutzen sollen. Wieso etwas austauschen, was funktioniert. Getreu dem Motto: „Never change a running system.“ Aber wenn es nicht mehr ausreicht, dann kann man nichts machen. Immerhin sollen (erstmal?) beide dann parallel laufen. Die Menge an Frachtern, die uns auf den Kanälen entgegen kommt, ist in der Tat häufig schon groß.

Am späten Nachmittag erreichen wir die Marina Oderberg, wieder ein Ort, an dem wir vor unserer Elternschaft erst einmal waren. Er liegt jedoch strategisch recht günstig auf der Strecke, sodass es sich für uns drei nun anbietet, hier zu halten. Auch dort ergibt es für uns Sinn, vor der Ankunft anzurufen, da es dort (nur) 2 Plätze gibt, in die wir reinfahren können – rückwärts und langsam durch den Schlick. Der Vorteil ist, beim Laufen an Bord schaukelt das Boot weniger, auch wenn ein Motorboot direkt davor meint, seine PS ausfahren zu müssen. Es gibt hier auch einen kleinen Spielplatz, an dem wir eine Familie treffen, die ebenso aus Berlin unterwegs nach Norden sind, mit ihrem Motorboot wollen sie sich 3 Monate ihrer Elternzeit Richtung Küste gaaaaanz langsam fortbewegen, ihre Tochter ist 2 Monate jünger als unser Kleiner. Da sie es nicht mehr geschafft hätten, den Seeschein vor der Abfahrt abzulegen, bleibt ihnen auch nichts Anderes übrig. Wobei ein Motorboot auf dem Meer sowieso nicht so „seegängig“ ist wie ein Segelboot. Man könnte auch sagen, es sei nicht dafür gemacht…

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